Den größten Anteil des Wertes von Bitcoin macht das Vertrauen in die Kryptowährung aus. Dazu kommen noch weitere, jedoch wackeligere Komponenten, wie zum Beispiel Knappheit (21 Millionen Stück), gewisse Use Cases und die ideologische Aufladung (der Wert der "Freiheit"). Grundsätzlich ist der Wert eines Produktes oft nur durch sehr abstrakte Modelle erklärbar und eine philosophische Frage ohne eindeutige Antwort. Im Falle von Bitcoin wird dies besonders deutlich. Daher könnte man vereinfacht auch sagen: "Bitcoin ist wertvoll, weil es vom Markt als wertvoll angesehen wird". Dies kommt der Wahrheit vermutlich am nächsten, da bis auf die Beurteilung des Marktes, alle anderen Eigenschaften von Bitcoin (mittlerweile) nicht mehr exklusiv Bitcoin alleine zugerechnet werden können.
Bitcoin und die Suche der Wall Street nach dem intrinsischen Wert
Viele Investoren vertreten die Meinung, dass ein Asset einen intrinsischen, also inneren, "wahren" Wert aufweisen muss, um als Anlage interessant zu sein.
Da es bei Bitcoin kaum Ansatzpunkte gibt, welche man mathematisch berechnen könnte, um einen fairen Preis dafür zu finden, wird der Wert von Bitcoin oft infrage gestellt.
Bei Bitcoin tun sich viele Fundamentalanalysten in der Bewertung schwer: Die Kryptowährung scheint keinen intrinsischen Wert zu besitzen.
Nüchtern betrachtet handelt es sich bei Bitcoin um ein Stück Code mit einer guten Idee dahinter, welcher verteilt auf vielen Computern liegt.
Bitcoin ist keine Firma, hat keine Angestellte, keine Betriebsmittel und es steht nichts "greifbares" wie zum Beispiel Gold oder ein anderes Edelmetall dahinter.
Das Grundproblem dabei: Gute Ideen haben viele Menschen. Programmieren können auch viele, was man an den tausenden anderen Kryptowährungen neben Bitcoin sieht.
Trotzdem hat keine andere Kryptowährung die Marktkapitalisierung von Bitcoin erreicht.
Da es bei Bitcoin kaum möglich ist, fundamentalanalytische Berechnungen durchzuführen, halten konservative Investoren wie zum Beispiel Warren Buffet Bitcoin für eine Blase, die jeden Moment platzen wird und so ihren intrinsischen Wert offenlegt, welcher angeblich oder auch tatsächlich nahe null liegt.
Dass Buffet hier gleichzeitig richtig und falsch liegt, klären wir in den folgenden Kapiteln.
Erklärungsmodelle für den Wert von Bitcoin
Was gibt dem Bitcoin seinen Wert? Diese Frage ist grundsätzlich eine philosophische und nicht so eindeutig zu beantworten, wie es manche glauben lassen möchten.
Die greifbarsten Thesen sind:
- Vertrauen
- Knappheit
- Ideologische Komponenten
- Use Case als Wertspeicher
- Kryptografie und verbrauchter Strom
Wie wir später feststellen werden, stehen die meisten dieser Thesen (bis auf das Vertrauen) auf eher wackeligen Beinen.
Faktor 1: Wie auch bei Fiat-Geld läuft auch bei Bitcoin nichts ohne Vertrauen
Nehmen wir Fiat-Geld als Beispiel. Hier in Europa also die Euro-Scheine und Münzen, mit denen du einkaufen gehst.
Warum hat Fiat-Geld einen Wert? Der intrinsische Wert wurde hier schließlich durch Aufhebung des Goldstandards ebenfalls abgeschafft.
Dass das Geld trotzdem einen Wert hat, liegt daran, dass du darauf vertraust, dass dein Gegenüber (der Händler) dein Geld entgegennimmt. Dieser wiederum vertraut darauf, dass der Großhändler, bei dem dieser seine Waren einkauft, das Geld ebenfalls entgegennimmt.
Nichts anderes passiert auch bei Bitcoin.
Das Vertrauen des Marktes in Bitcoin als Zahlungsmittel oder Geldanlage alleine schafft einen Wert.
Nun könnte man argumentieren, dass in einem Pyramidensystem auch kurzfristig Vertrauen steckt, trotzdem ist dieses am Ende nichts mehr wert, weil es keinen intrinsischen Wert gibt.
Dem entgegen spricht wiederum der lange Zeitraum, in dem Bitcoin bereits akzeptiert ist.
Faktor 2: Bitcoin's Begrenzung auf 21 Millionen Stück (Knappheit) bei gleichzeitiger Nachfrage
Menschen fühlen sich immer zu knappen, begrenzten Dingen hingezogen.
Wenn etwas attraktiv und gleichzeitig in einer endlichen Menge vorhanden ist, wird alleine durch diesen Umstand Wert geschaffen.
Status ist in Gesellschaften eine wichtige Sache, welche dadurch entsteht, dass jemand etwas hat, was andere nicht haben.
Dieses Bedürfnis wird von Bitcoin durch die Begrenzung auf 21 Millionen Stück erfüllt.
Der ursprüngliche Zweck liegt allerdings in der Vorbeugung von Inflation.
Faktor 3: Bitcoin verkörpert Freiheit
Den Drang, frei zu sein, haben alle Menschen gemeinsam.
Bitcoin ist im Gegensatz zu staatlichen Währungen, wo es eine zentrale Stelle gibt, welche die Macht darüber hat, in der Theorie nicht oder nur wenig kontrollierbar.
Faktor 4: Store of Value
Auf Bitcoin als Zahlungsmittel gehen wir an dieser Stelle bewusst nicht ein, da dies aktuell in der Praxis kein großes Thema ist.
Vieler eher ist die Wertspeicherung interessant. Ähnlich wie Gold wird auch Bitcoin als "Store of Value" angesehen.
Eine Möglichkeit, Wert zu speichern, ist per Definition wertvoll.
Weitere Faktoren wie Kryptografie, Konsensus und Energieverbrauch
Die Kryptografie von Bitcoin sowie der Konsensus-Mechanismus ist wahrlich bemerkenswert. Und doch kann es hier aufgrund der Konkurrenz mit gleichen Lösungen oder sogar besseren Lösungen maximal einen "First Mover"-Bonus geben.
Ein gar intrinsischer Wert lässt sich vom eingesetzten Algorithmus her jedoch keinesfalls ableiten.
Interessanter dagegen ist die Hypothese, dass der Wert von Bitcoin in den Ressourcen liegt, welche bei der Produktion verbraucht werden.
Eine Formel zur Berechnung des fairen Preises von Bitcoin ist auf den Stromverbrauch und lautet: "Wert = Verbrauchte Energie/Wachstum x Energiekosten in Fiat-Dollar".
Diese Ansicht ist allerdings umstritten.
Kann es sein, dass sich der Wert von Bitcoin nicht exakt bestimmen lässt?
Auch wenn die oben genannten Komponenten gängige Erklärungen für den tatsächlichen Wert von Bitcoin sind, so muss man sagen, dass diese erst festgestellt wurden, als Bitcoin schon eine gewisse Größe erreicht hat.
Ebenso treffen fast alle genannten Faktoren auch auf viele andere Kryptowährungen zu.
Wie bei erfolgreichen Unternehmen oder Persönlichkeiten werden immer erst im Nachhinein vermeintliche Erklärungen für den Erfolg gesucht und selbstverständlich auch gefunden.
Ob es aber auch die tatsächlichen Faktoren sind, wird für immer ein Geheimnis bleiben.
Somit bleibt auch bei Bitcoin letzten Endes nur ein Konglomerat an Erklärungen und Sichtweisen, was Bitcoin seinen Wert verschafft.
Wenn kaum etwas nur bei Bitcoin alleine zu finden ist, was ist es dann die Erklärung für die hohen Preise für einen Coin?
Auch wissen wir aus anderen Beispielen wie Internetprotokollen, dass sich nicht immer das objektiv "beste" in der Welt durchsetzt.
Das bedeutet in diesem Fall, dass obwohl andere Kryptowährungen technologisch entwickelter sind als Bitcoin, Letzterer trotzdem als Gewinner hervorgegangen ist und dies voraussichtlich auch bleiben wird.
Liegt es an einem Gerechtigkeitsempfinden des Marktes? Will der Markt die Idee von Satoshi Nakamoto belohnen? Ist es der mit Bitcoin verbundene Freiheitsgedanke? Ist es weil Bitcoin die erste Kryptowährung war, die großflächig bekannt wurde? Ist es reine Spekulation auf hohe Gewinne? Man weiß es nicht und wird es vermutlich auch nie herausfinden.
Gedankenspiel: Was ist eine 1:1-Kopie von Bitcoin wert?
Angenommen, jemand erstellt eine 1:1-Kopie von Bitcoin. Diese Kopie hat die exakt gleichen Eigenschaften wie der "originale" Bitcoin.
Was wäre diese Kopie wert?
Da der kopierte Bitcoin die genau gleichen Eigenschaften hat, müsste dieser auch exakt den gleichen Wert besitzen.
Die Realität sieht jedoch anders aus, was man beispielsweise an Bitcoin Cash von Roger Ver sieht.
Bitcoin Cash ist nicht nur eine 1:1-Kopie von Bitcoin, sondern noch dazu eine objektiv betrachtet verbesserte Version mit günstigeren Transaktionsgebühren.
Wo liegt also der genaue Unterschied zwischen Bitcoin und Bitcoin Cash?
So banal es klingt, liegt der Unterschied darin, dass der Markt Bitcoin schlicht als wertvoller betrachtet als Bitcoin Cash. Möglicherweise, weil Bitcoin in der Welt bereits sehr viel verzahnter als Bitcoin Cash ist. Möglicherweise liegt es auch an anderen Dingen. Die Frage nach dem letztgültigen "Warum" wird sich daher immer nur in abstrakten Annäherungen klären lassen, jedoch nie abschließend.