Kriminell oder naiv? Sam Bankman-Fried im NYT-Interview nach FTX Pleite

Martin Fiedler

Zuletzt Aktualisiert: 2. Dezember 2022

Kommentieren
Darum geht es

Sam Bankman-Fried (SBF) stellt sich in einem Interview der New York Times kritischen Fragen zum Niedergang von FTX. Er wolle es bei den Millionen Kunden  "wiedergutmachen" sagt SBF. Er sprach auch offen darüber, wie sich Krypto-Unternehmen und auch FTX mit "Bullshit"-PR-Kampagnen milde Regulierung erkaufen.

TradingView-Bitcoin-Euro-USD-Charttechnik-Community
SBF im Interview mit der New York Times. Bildquelle: New York Times
Was wichtig ist
  • Sam Bankman-Fried (SBF) sieht eine große Schuld bei ihm liegen, weist im Zuge des Interviews Verantwortung aber auch von sich. Er befinde sich in einem Prozess der "Aufarbeitung".
  • SBF räumt mangelndes "Risikomanagement" seinerseits ein.
  • Bankman-Fried gibt zu: "Hinter den Kulissen haben wir vieles nur für ein gutes Image getan, um vor Regulatoren gut dazustehen".  "Die Blockchain-Branche tut vieles nur für PR. Vieles  davon ist Bullshit".
  • FTX ging mit dem Tochterunternehmen "Alameda Research" riskante Krypto-Finanzmarktwetten mit dem Geld der FTX-Trader ein.
  • SBF wies darauf hin, dass nur FTX International, nicht aber FTX US betroffen sei. Dass auch US-Kunden ihre Gelder nicht abziehen können, "könne er nicht nachvollziehen".
  • Am 6. November 2022 begannen Kunden, in einer Panikreaktion auf die Enthüllungen über 4 Milliarden US-Dollar pro Tag von FTX abzuziehen. Dies leitete den Untergang der einstigen Trading-Plattform ein.
Weitere Nachrichten
Das sagen Experten
  • Beobachter kritisieren die teilweise ausweichenden Antworten von SBF zu konkreten Fragen.
  • Michael Novogratz sagte zu CNBC: "Sam ist wahnhaft, er versteht nicht wirklich, was er sagt. Er wird Zeit im Gefängnis verbringen". "Er hatte keinen kriminellen Plan, aber was sie getan haben, war kriminell".
Mögliche Auswirkungen
  • Sowohl die Europäische Union (EU) als auch die USA leiteten Untersuchungen zu FTX ein. Dies wird mit großer Wahrscheinlichkeit mit härter Regulierung von Kryptobörsen einhergehen.
Meinung
Martin

Bei SBF ist aktuell nicht ganz klar, ob berechnetes Kalkül dahinter war oder ob das ganze Drama aus purer Naivität heraus passiert ist. Ich tue mir schwer, den ehemaligen FTX-CEO einzuschätzen und bin gespannt, wie sich die Sache entwickelt. Sorgen macht mir etwas, dass der FTX-Konkurs für überschießende Regulierung im Bereich der Kryptowährungen sorgen könnte.

Martin Fiedler

Hintergrund

New York Times interviewt den ehemaligen FTX-CEO Sam Bankman-Fried zur Insolvenz... ausweichende Antworten & ehrliche Einsichten in die Branche!

Andrew Ross-Sorkin von der New York Times (NYT) interviewte den einstigen Star der Krypto-Szene Sam Bankman-Fried (SBF) am 1. Dezember 2022 zur Insolvenz der FTX-Handelsplattform.

Sam Bankman-Fried war für das Gespräch live von den Bahamas zugeschaltet. Andrew Ross leitet das Interview mit den Worten ein:

"Die Menschen sind sauer und sie wollen Antworten".

Weiters legte er die unterschiedlichen Standpunkte zur Person SBF dar: Manche sehen im FTX Co-Founder "einen Betrüger" eines "Pyramidensystems mit massiver Marktmanipulation". Die andere Seite sei, dass SBF ein junger Mann sei, der lediglich "große Fehler" gemacht habe.

Auffällig an dem Interview war, dass SBF versucht, stark zwischen FTX International und FTX US zu unterscheiden und dass sich die Probleme ausschließlich auf "FTX International" bezogen hätten, nicht aber auf FTX US.

SBF zu Alameda Research: Es war "schlechtes Risikomanagement"

Auf die Vorwürfe, warum Kundeneinlagen zum mit FTX verknüpften Fonds "Alameda Research" transferiert wurde, um damit spekulative Trades einzugehen, antwortete SBF ausweichend und wies primär darauf hin, dass er versuche, die Geschehnisse zu "rekonstruieren" und dass er nur limitierten Zugang zu den Daten hätte.

Die finanziellen Probleme schob er auf die allgemeine Marktsituation und hohe Volatilität in den vergangenen Jahren, mit Verweise auf den aus seiner Sicht niedrigen Hebel (Leverage) von 10x, den Alameda Research mit ihren Positionen einging.

Allerdings übte SBF auch Selbstkritik und räumte "schlechtes Risikomanagement" sowie "mangelnde Verantwortung" seinerseits ein. Er sagte, dass er selbst "überrascht" über die großen Positionen von Alameda Research gewesen ist.

Alameda Research sei "weit mehr an FTX gebunden gewesen, als es seine Intention gewesen sei".

Als einen seiner größten Fehler bezeichnete SBF seinen Blick auf falsche Zahlen. Er habe nur darauf geschaut, welchen Anteil am Handelsvolumen und Liquidität Alameda bei der Kryptobörse (FTX) einnahm. Dieser sei von 45% im Jahr 2019 auf etwa 2% im Jahr 2022 gefallen. Allerdings war der Anteil der Positionen und Salden ein weitaus größerer gewesen. Dies habe Sam Bankman-Fried nicht bemerkt.

"Ich habe Alameda nicht geführt, ich wusste nicht genau, was dort vor sich ging oder welche Größe die Positionen [bei FTX; Anm.] haben. [...] Das war ein ziemlich großer Fehler. Ich war aufgrund des Interessenskonflikts besorgt, wenn ich mehr involviert gewesen wäre."

Die Ausführungen von SBF wirken allerdings nicht vollumfänglich plausibel, da herausgekommen ist, dass Alameda Research zwar rein rechtlich einen separaten Standort abseits von FTX hatte, zwei Personen aus der Führungsebene bei Alameda jedoch mit Sam Bankman-Fried ein WG-artiges Wohnverhältnis hatten.

Während des Interviews wirkte SBF sichtlich nervös und verstrickte sich teilweise auch in Widersprüche. Einerseits gab er eine starke Involvierung in Alameda Research zu, andererseits redete er sich oft darauf aus, dass es nicht möglich gewesen ist, FTX zu leiten und gleichzeitig ein Auge auf die Vorgänge innerhalb Alameda Research zu halten.

"Viele Unternehmen hatten Verbindlichkeiten bei FTX. Die Position von Alameda war aber schlicht zu groß. Als am 6. November 2022 erste Details bekannt wurden, wusste ich, dass wir Probleme haben".

SBF: "Kunden zogen $ 4 Milliarden täglich von FTX ab. Da wusste ich, dass wir ein Problem haben!"

Nach Bekanntgabe der Verstrickungen zwischen FTX und Alameda Research hat FTX einen sofortigen "Bank Run" auf ihre Handelsplattform erlebt, mit Auszahlungen von über vier Milliarden US-Dollar täglich.

FTX hatte den FTX-eigenen FTT-Token, aber auch andere Kryptowährungen wie Solana als Collateral (Sicherheit) genutzt. SBF gab zu, hier dem Risikomanagement nicht genügend Raum eingeräumt zu haben und diese Tokens falsch bewertet zu haben.

Sam Bankman-Fried sehe es als seine Pflicht "es wieder in Ordnung zu bringen"

Auf die Frage des NYT-Interviewers, was ihm seine Anwälte geraten hätten zu tun oder zu sagen, entgegnete SBF, dass es das Beste wäre, nichts zu der Causa öffentlich zu sagen. Er sehe es allerdings als seine Pflicht, an die Öffentlichkeit zu gehen und so viel als möglich in Ordnung zu bringen und Kunden aus dieser Situation zu bringen.

Da sich SBF aktuell auf den Bahamas aufhält, liegt der Verdacht nahe, dass er sich der Justiz in den USA entziehen möchte. SBF verneinte dies und sagte, dass er FTX Digital Markets schon immer aus den Bahamas heraus geführt hätte und auch in Gesprächen mit den Regulatoren hier sei.

"Ich denke aktuell nicht über eine Strafverfolgung in den USA nach. Das mag zu einem anderen Zeitpunkt der Fall sein. Was jetzt zählt, sind die Millionen an Kunden und wie man ihnen helfen könnte".

Sam Bankman-Fried gesteht: FTX hat vieles nur für PR getan, um vor Regulatoren besser dazustehen!

Interessant wurde es, als Sam Bankman-Fried über die Machenschaften hinter den Kulissen der Kryptobörsen-Branche bzw. Blockchain-Industrie sprach.

Er glaubt, dass Unternehmen einen großen Einfluss auf Positives in der Welt haben können. Von der Pandemiebekämpfung, Tierschutz oder die Bekämpfung von Krankheiten. 

Allerdings soll in dieser Branche vieles nur aus PR- und Marketinggründe getan werden:

"Es gibt eine Menge Bullshit, den regulierte Unternehmen tun. Jeder, der darin involviert ist, weiß dass diese Dinge Dumm sind"

"Wenn ein Unternehmen sagt, wir werden zwei Autos aus Charity-Gründen spenden. Das passiert nicht, es passiert niemals und niemand erwartet, dass diese Autos auch wirklich gespendet werden."

"Das passiert nur, um gut dazustehen, es ist nur Maskerade, Green Washing. Es ist ein PR-Kampagne".

Auf die Nachfrage von Andrew Ross-Sorkin von der New York Times, ob SBF daran teilgenommen habe, bestätigte der frühere FTX-CEO dies: "Wir alle haben das gemacht".

Ich wünschte, die Welt würde so nicht funktionieren, dass es nicht nötig sei, diese Dinge zu tun, um reguliert zu werden und Bankkonten zu bekommen. Aber es ist so. Wir haben uns überlegt, was gut ankommen würde".

Vorwürfe der Parteispenden seitens FTX an US-Demokraten, um sich Gesetze zu erkaufen

Angesprochen auf die Parteispenden an die US-Demokraten sagte SBF, dass diese nicht das Ziel hatten, entsprechende Gesetze zugunsten von FTX zu forcieren oder abzuändern.

Vielmehr soll es ihm um andere Dinge wie die Bekämpfung der Corona-Pandemie gegangen sein.

Was an öffentlichen Informationen verfügbar ist, ging der größte Teil der Spenden von SBF an die US-Demokraten. Allerdings sollen auch Spenden an die Republikaner gegangen sein, diese allerdings nicht öffentlich gemacht worden sein.

Die Spenden wurden laut SBF aus "Profiten" von FTX finanziert.

SBF hatte und hat auch augenscheinlich gute Verbindungen zu Garret Gensler von der SEC allerdings "soll das kein Geld-Ding" gewesen sein. 

Artikel teilen:
Dieser Artikel wurde erstmals am 2. Dezember 2022 veröffentlicht und am 2. Dezember 2022 aktualisiert.
Diskussion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hinweis
Kommentare und Erfahrungen (inkl. Pseudonym/Name) sind öffentlich sichtbar. Teile daher bitte keine persönlichen oder andere sensible Daten von dir oder Dritten in deinem Beitrag. Das betrifft insbesondere NAMEN, ADRESSEN, TELEFONNUMMERN und E-MAIL-ADRESSEN. Beiträge erscheinen nicht sofort, werden aber in der Regel rasch freigeschalten. Unsere Datenschutzbestimmungen sind hier einsehbar. Über dieses Formular werden keine Informationen bzw. Anlageberatung zu Online Trading angeboten..